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gem (und erbärmlich schlechtem) »homemade« Schmuck bis
zu polierten Meeresmuscheln mit der verschnörkelten Aufs-
chrift »Memories of Mauritius«. Und ich bin nie zu Fuß
gegangen, auch wenn es unmöglich mehr als zehn Minuten
oder höchstens eine Viertelstunde dauern kann. Hervé fährt
mich und wartet geduldig unter einer Palme, mit einer Zigar-
ette und einer Ruhe, um die ich ihn beneide, bis er mich dann
mit meinen Einkäufen nach Hause fährt und dafür fünfzig
Rupien erhält.
Die Götter mögen wissen, wo er diesen Computer her hat.
Er war nicht eingepackt und eindeutig gebraucht. Der Bild-
schirm war zwar mit einer Art Plastikfolie überzogen, aber die
Tastatur weist braune Flecken auf und ist alles andere als neu.
Ich werde ganz nervös bei der Vorstellung, dass ich mög-
licherweise Diebesgut gekauft habe (der Preis legt diesen
Gedanken durchaus nahe), aber andererseits: Hervé kommt
mir vor wie ein ehrlicher Mann, und er hat mir in die Augen
geschaut, als er das Geld angenommen hat. Zu allem Über-
fluss hat er mir eine handgeschriebene Quittung überreicht.
Ob das Finanzamt die gelten lässt, ist jedoch eine andere
Frage, vor allem, wenn ich dazu erzähle, dass mein vorheriger
Computer, der kleine praktische Laptop, auf dem Grund des
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Indischen Ozeans liegt und dass ich ihn selbst hineingeworfen
habe.
Ich hatte nämlich versucht, mich selbst zu betrügen. Wie so
oft. Ich wollte mir einreden, dass ich nie wieder schreiben
würde. Ha! Ich warf den Computer mit dramatischer Geste
ins Meer, ich weinte, und es war stockdunkel, und ich wäre
sicher gleich hinterhergesprungen, in der Hoffnung, dann zu
ertrinken, nur bin ich eine sehr gute Schwimmerin, und bei
einer Wassertemperatur von dreißig Grad könnte ich auch
nicht erfrieren. Aber es war der pure Betrug. Ich hatte von al-
lem Sicherheitskopien erstellt. Ich habe sogar Petters Flug-
simulator kopiert.
Es ist Abend. Ich weiß, dass die Dunkelheit genau um
sieben einsetzt, sie bricht jetzt früher an als zuvor, es geht auf
den Winter zu, wir haben Mai, und ich bin seit einer Ewigkeit
hier. Die Dunkelheit macht mir noch immer Angst. Ich gehe
nun schon seit einiger Zeit immer barfuß. Meine Fußsohlen
sind nicht härter geworden, sie sind nur weniger empfindlich.
Dennoch spüre ich, dass der Sand nicht so warm ist wie mit-
ten am Tag, er ist in gewisser Hinsicht schwerer, er saugt sich
stärker fest, erschwert das Gehen und erinnert mich daran,
dass ich mich fürchte und mich nicht zu weit vom Bungalow
entfernen sollte. Ich muss vor sieben zurück sein. Der Com-
puter, das Einzige, vor dessen Verlust ich mich fürchte, neben
dem italienischen Schuhkarton (doch wer könnte an dem In-
teresse haben?), lässt sich nicht wie der Laptop unter der
Matratze verstecken. Ich habe hundert Rupien in der
Hosentasche und den Schlüssel um den Hals.
Die Strände sind weiß und klein; nicht endlos und
beeindruckend, wie ich vor meinem Eintreffen hier geglaubt
habe. Sie werden von kohlschwarzen Steinmassen
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eingerahmt, von faszinierenden dunklen, fast porösen Stein-
en. Hier und dort sind Bootsanleger errichtet worden,
manche in Beton gegossen, andere eher zusam-
mengeschustert, aus Holzstücken und Tauen.
Von den Anlegern aus wird geangelt. Nur von Männern,
nur von Einheimischen, sie alle tragen T-Shirt und Shorts.
Alle tragen Sandalen und alle haben Angelruten aus Bambus
(ich nehme jedenfalls an, dass es sich um Bambus handelt, die
Angeln sehen aus wie die Skistöcke meiner Kindheit, nur sind
sie länger, viele Meter lang, biegsam und federnd). Keine
Spule, nur eine dünne Sehne, die an der Spitze angebracht ist,
fünf, sechs Meter lang mit, vermute ich, einem Tannenzapfen
als Schwimmer und einen winzigen Haken mit einem Köder,
den ich nicht identifizieren kann, auch nicht, als ich mich vor-
sichtig neben einen Jungen von vielleicht zwölf Jahren setze
und ihm beim Angeln zusehe. Er achtet nicht auf mich,
schwer zu sagen, ob er meine Anwesenheit überhaupt regis-
triert hat. Oder vielleicht ist er daran gewöhnt. Ist an neu-
gierige Gäste gewöhnt, an dunkelrote Deutsche mit teuren
ABU-Spulen und Bierbauch und Teleskopstangen aus Glas-
faser und genug Geld, um an den Einheimischen vorbei an
Bord von phantastischen Hochseeyachten zu stolzieren, die
sie weit hinaus aufs Meer bringen, wo die großen Fische ihr
Unwesen treiben.
Die Menschen hier fangen kleine Fische. Winzige, fast
weiße Dinger, von der Größe einer Sardine, die die Angler alle
fünf Minuten hochziehen, ohne Begeisterung, ohne ein Wort,
sie haben einfach diese zappelnden, minimalen Wesen am
Haken, befestigen mit erfahrener Hand neue Köder und wer-
fen die Angeln wieder aus. Einige haben kleine Fischkörbe,
geflochten aus Rinde oder Hobelspänen, die meisten aber
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stecken ihren Fang in eine Plastiktüte, wo er noch einige
wenige Minuten krampfhaft kämpft, um dann zu sterben, ein-
en grausamen Erstickungstod; sie sind so klein, dass ihnen
nicht das Genick gebrochen werden kann.
Ich weiß nicht, ob sie eigentlich auf etwas anderes hoffen.
Auf einen größeren Fisch, einen besseren Fang. Vielleicht
zeigt die fehlende Begeisterung schon der ganz Kleinen, der
Vier-, Fünfjährigen, dass sie eigentlich enttäuscht sind. Sie
wollen keine Sardinen, sie wollen etwas Größeres, Besseres,
etwas, das keiner von ihnen jemals bekommen wird. Aber sie
werfen die Sardinen nicht wieder ins Wasser, also verwenden
sie sie wohl doch. Zu irgendetwas.
Jetzt, so spät, weht der Wind nicht mehr ganz so heftig.
Dennoch verirrt sich eine Locke in meinen Mund. Ich sauge
daran, sie schmeckt nach Fisch; ich müsste mir die Haare
schneiden lassen. Das Meer ist nicht so grün wie sonst. Es
strahlt Ruhe aus, es scheint nach dem vergangenen Tag
aufzuatmen, Kräfte für den kommenden zu sammeln, um
dann das viele Patinagrün auszuspucken, das es im Laufe ein-
er pechschwarzen Nacht ansammelt. Ich hole auch tief Atem
und empfinde ein überraschendes Gefühl der Erwartung.
Das Licht verschwindet jetzt, und ich springe auf. Die
Sonne ist schon untergegangen, aber die Wolkendecke fängt
irgendwo hinter dem Horizont die letzten Strahlen auf und re-
flektiert sie wie einen Abschiedsgruß, so lange, dass ich es bis
nach Hause schaffe.
Ich dusche. Ich will ins Restaurant. Bisher habe ich mich
selbst verpflegt, bis auf das eine Mal, als Asha Nudeln mit
Meeresfrüchten serviert hat. Eine hoffnungslose Ernährung,
in den fünf Monaten habe ich vielleicht dreimal gekocht. Und
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in meiner ewigen Angst vor Krankheiten habe ich es nicht
gewagt, Gemüse anzurühren.
Ich habe ein Kleid mitgebracht. Ein einziges. Bisher habe
ich es noch nicht angehabt. Ich habe es vor meiner Abreise
gekauft, ein ärmelloses, hellblau kariertes Baumwollkleid. Es
hängt lose, ich habe arg abgenommen. Vor dem Spiegel bleibe
ich lange stehen. Ich bin es nicht, die dort steht. Der Mensch,
der mich aus einem spiegelverkehrten Zimmer anstarrt,
macht mir Angst. Alles ist ins Gegenteil verkehrt. Die Haut
sollte hell sein, ist aber dunkel. Meine Haare sind ruiniert und
blond. Meine Finger berühren die Glasfläche, die Hand, die
sich mir entgegenstreckt, ist kühl und hart. Vorsichtig trage
ich ein wenig Wimperntusche auf, meine Wimpern sind jetzt
hell, fast weiß. Ich schmiere, komme mir ungeschickt vor und
entscheide mich dagegen.
Petter kommt. Er ist sieben Jahre alt und trägt ein frischge-
bügeltes kreideweißes Hemd.
»Neu, neu«, sagt er begeistert und zieht an seiner
Hemdbrust.
Er hat Blumen mitgebracht. Rote und gelbe Blumen, groß
und mit Staubgefäßen, die die Zunge herauszustrecken
scheinen. Seine Hose ist blau und weist eine eingenähte Bü-
gelfalte auf. Seine Füße stecken wie immer in Sandalen.
Ich würde ihn gern umarmen, aber das ist zwischen uns
nicht üblich. Also stelle ich die Blumen in eine Vase, genauer
gesagt, in eine Wasserflasche aus Kunststoff, die zweimal [ Pobierz całość w formacie PDF ]
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